Nährstoffversorgung bei veganer Ernährung
Autor: Dr. Markus Keller, Institut für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE), aus dem Reformhaus Magazin
Eine vegane Ernährungsweise schont Tiere, Ressourcen, Klima und Umwelt, trägt (zumindest rechnerisch) zur Verbesserung der Welternährungssituation bei und bietet eine Vielzahlt gesundheitlicher Vorteile. Dies setzt jedoch voraus, dass auf eine ausreichende Zufuhr kritischer Nährstoffe geachtet wird.
Vitamin B12 (Cobalamin)
Vitamin B12 ist der kritische Nährstoff bei veganer Ernährung, denn das Vitamin kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor. Pflanzliche Lebensmittel mit Sauerkraut, Miso oder Algen können gelegentlich Spuren an Vitamin B12 enthalten. Eine sichere Versorgung ist damit jedoch nicht möglich. Studien zeigen, dass bis zu 90% der Veganer (und auch viele Vegetarier) einen Vitamin-B12-Mangel aufweisen – ohne es zu wissen oder zu merken. Langfristig kann dies zu schweren Gesundheitsschäden führen. Veganer sollten daher auf eine zuverlässige Vitamin-B12-Supplementierung über Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Lebensmittel und/oder Vitamin-B12-Zahnpasta achten. Eine jährliche Blutuntersuchung der Vitamin-B12-Versorgung (Holo-Transcobalamin, MMA) ist empfehlenswert.
Kalzium
Während Mischköstler und Vegetarier durchschnittlich etwa 1.000 mg Kalzium pro Tag aufnehmen, liegt die Zufuhr bei Veganern mit etwa 500 – 600 mg pro Tag deutlich niedriger. Entsprechend weisen veganer oft eine verringerte Knochendichte sowie ein erhöhtes Risiko für Osteoporose-bedingte Frakturen auf. Die EPIC-Oxford-Studie hat gezeigt, dass dies jedoch nur bei einer sehr geringen Kalziumzufuhr gilt. Diejenigen Veganer mit einer Kalziumzufuhr > 525 mg pro Tag hatten gegenüber den Mischköstlern und Vegetariern kein erhöhtes Frakturrisiko. Besonders Veganer sollten daher auf eine ausreichende Kalziumzufuhr über Oxalsäure-arme Gemüse (z.B. Grünkohl, Pak Choi, andere Kohlarten, Brokkoli), Hülsenfürchte, Nüsse, mit Kalzium angereicherte Pflanzenmilch sowie kalziumreiches Mineralwasser ( > 400 mg Ca/l) achten. Diese Empfehlung gilt nicht nur für die Veganer, denn etwa die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland erreicht nicht die empfohlene Kalziumzufuhr von 1.000mg pro Tag.
Eisen
Veganer haben häufig eine höhere Eisenzufuhr als Vegetarier und Mischköstler. Da pflanzliches Eisen jedoch eine schlechtere Bioverfügbarkeit aufweist als tierisches Eisen, kommt davon weniger im Körper an. Daher weisen Veganer (und Vegetarier) meist niedrigere Eisenspeicher (Serumferritin) auf. Eisenspeicher im unteren Normbereich werden mittlerweile als gesundheitlich vorteilhaft bewertet, denn eine hohe Eisenspeicherung erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes und Dickdarmkrebs. Während Männer nur selten von Eisenmangel betroffen sind, kommt dieser bei Frauen häufiger vor – unabhängig von der Ernährungsweise. In der Deutschen Vegan-Studie wiesen die untersuchten Veganerinnen jedoch etwa viermal so häufig erniedrigte Eisenspeicher (unterhalb des Normwertes) auf die gleichaltrige Frauen in der Allgemeinbevölkerung (40% vs. 10%). Veganer können die Aufnahme von pflanzlichem eisen gezielt verbessern, indem eisenreiche Lebensmittel (v. A. Vollgetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse) mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln (Gemüse, Obst) kombiniert werden.
Weitere kritische Nährstoffe
Veganer sind häufiger als Vegetarier und Mischköstler unzureichend mit Vitamin B2 (Riboflavin) versorgt, da als eine der Hauptquellen Milch und Milchprodukte wegfallen. Gute pflanzliche Vitamin-B2-Lieferanten sind Nüsse, Pilze, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und Ölsamen.
Zwar ist die Zinkzufuhr bei erwachsenen Veganern etwas niedriger als bei Michköstlern, dennoch ist die Versorgung im Körper offenbar ausreichend. Veganer können ihre Zinkzufuhr über Vollkornprodukte, Nüsse, und Ölsamen sichern.
Veganer nehmen genauso viele Omega-3-Fettsäuren auf wie Mischköstler. Allerdings ist der Verzehr von Omega-6-Fettsäuren in der veganen Ernährung deutlich höher, sodass das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren bei Veganern etwa 14-20:1 und bei Mischköstlern < 10:1 beträgt. Veganer sind somit weit vom empfohlenen Omega-6:Omega-3-Verhältnis von 5:1 entfernt. Zudem nehmen Veganer mit ihrer Nahrung praktisch keine langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) auf. Zwar kann die pflanzliche Omega-3-Fettsäure α-Linolensäure im Körper in EPA und DHA umgewandelt werden, jedoch nur in sehr begrenztem Maße (0,5-5%). Ob die niedrigen Blut- und Gewebespiegel an EPA und DHA bei Veganern gesundheitlich relevant sind, ist bisher unklar. Empfehlenswert für Veganer ist eine höhere Zufuhr an α-Linolensäure v.a. über Leinöl (etwa ein Esslöffel pro Tag) sowie auch Leindotter-. Raps- oder Hanföl. Öle, die reich an Omega-6-Fettsäuren sind (wie Sonnenblumen-, Distel- oder Maiskeimöl) sollten möglichst nicht verwendet werden.
Jod und Vitamin D gelten als kritische Nährstoffe in der Gesamtbevölkerung. Veganer sind mit beiden Nährstoffen noch schlechter als Vegetarier und Mischköstler versorgt. Um die Jodzufuhr sicherzustellen, sollte ausschließlich jodiertes Speisesalz/mit Algen versetztes Meersalz verwendet werden. Zusätzlich kann der gelegentliche Verzehr von Meeresalgen mit moderatem Jobgehalt (z.B. Nori) die Jodversorgung verbessern. Die unzureichende Vitamin-D-Versorgung in der dunklen Jahreszeit zwischen Mitte Oktober und Mitte März sollte durch Supplemente (20 µg Vitamin D pro Tag) ausgeglichen werden. Dies gilt auch für Vegetarier und Mischköstler.
Nährstoffe mit günstiger Zufuhr
Aufgrund des reichlichen Verzehrs an Gemüse und Obst sowie von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und Sojaprodukten sind Veganer gut oder sogar besser versorgt als Mischköstler mit β-Carotin (Provitamin A), den Vitaminen C, E, Vitamin B1, Folat, Biotin und Pantothensäure, den Mineralstoffen Kalium und Magnesium sowie sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen. Veganer liegen außerdem am nächsten an den DGE-Zufuhrempfehlungen für die Hauptnährstoffe Kohlenhydrate, Fett und Protein.
Die höhere Zufuhr gesundheitsfördernder sowie die geringere Aufnahme ungünstiger Nahrungsinhaltsstoffe (z.B. gesättigte Fettsäuren, Cholesterin) tragen zu einem verringertem Auftreten von Zivilisationskrankheiten bei Veganern bei. Dies gilt beispielsweise für Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einzelne Krebsarten.
Literaturhinweis: Leitzmann C., Keller m. (2013): Vegetarische Ernährung. Ulmer, Stuttgart, 3. Aufl.
(Quelle: Reformhaus, das magazin, Ausgabe Oktober 2015, Reformhaus e.G., 19246 Zarrentin, S. 14/15)